Inhaltsverzeichnis Hide
Kaiser Wilhelm schaut zu. Wenn die Gäste zum Auftakt eines feinen Essens ein Rote-Beete-Carpaccio mit Äpfeln, Karotten, Rettich und knusprigen Brotchips genießen: Majestät ist dabei. Und wenn sie sich als Hauptgericht einen köstlichen Damwildrücken mit gerösteten Mandeln, rohen Rosenkohlblättern und Sellerie-Püree gönnen, entgeht es dem Blaublut ebenfalls nicht. Überlebensgroß, in prunkvoller Uniform ist er präsent – im Restaurant Puricelli im Luxushotel Schloss Lieser an der Mosel. Dort hängt er an der Wand: in Öl. Nicht ohne Grund: Es ist eine Erinnerung an die Jahre 1906, 1911 und 1913, als der Adelsmann höchstselbst als Gast im Schloss Lieser weilte.
Heute würde es dem gekrönten Haupt dort sicher auch munden. Schließlich schwingt mit Wolfgang Preßler ein wahrer Könner das Zepter in der Küche. Als Sous-Chef hat der Österreicher bereits in Johann Lafers Stromburg gearbeitet, stand als solcher auch im Drei-Sterne-Restaurant Aqua im Ritz-Carlton Wolfsburg am Herd. Nun hat es den Mittdreißiger nach Rheinland-Pfalz verschlagen, in das erst 2019 eröffnete Nobelhotel Schloss Lieser im gleichnamigen Weindörfchen, nicht weit von Bernkastel-Kues und Traben-Trarbach entfernt. Das stattliche Gebäude, jahrelang mit großer Sorgfalt renoviert, erhebt sich inmitten eines parkähnlichen Gartens, die Mosel fließt direkt vor der Tür. Majestätisch.
Hotel mit Weinberg
Wer die Treppe mit dem roten Teppich zum Portal empor schreitet, taucht auf der Stelle ein in eine andere Welt, in eine andere Zeit. Wandvertäfelungen aus dem 19. Jahrhundert, wertvolle Antiquitäten, kristallene Leuchter ziehen ebenso die Blicke auf sich wie die einstige Familienkapelle gleich im Eingangsbereich.
Es war der wohlhabende Industrielle Eduardo Puricelli, der sich das Haus im Stil eines Schlosses zwischen 1885 bis 1888 als Privatvilla bauen ließ. Später kam das Anwesen in den Besitz von Clemens Freiherr von Schorlemer, der – in der deutschen Politikszene bestens vernetzt – gute Kontakte zum Kaiser pflegte. Womit wir wieder bei Wilhelm II. wären. Schorlemer hatte ihn nämlich zu sich eingeladen, ließ sogar eigens für den hohen Besuch einen neuen Flügel errichten. Und dem Kaiser gefiel‘s: Er kam drei Mal.
Und erhält jedes Jahr als Gruß aus Lieser eine Flasche Schlossberg-Wein. Natürlich handelt es sich dabei durchweg um Riesling: In dieser Weinregion ist er der Champion.
Spitzenrieslinge handgelesen
Welche wunderbaren Weine man daraus keltern kann, stellt Thomas Haag seit Jahren unter Beweis. Er betreibt gleich nebenan das Weingut Schloss Lieser. Mitte der 90er Jahre hatte der Winzer gemeinsam mit seiner Frau Ute die einst berühmte Kellerei gekauft – als Sanierungsfall. Aus dem Nichts haben sie sich nach und nach in die Spitze der deutschen Riesling-Erzeuger emporgearbeitet. Mit dem Titel „Winzer des Jahres“ heimste Haag 2015 die höchste Auszeichnung des Gault&Millau ein. Und es gibt keinen deutschsprachigen Weinführer, keine angesehene Weinzeitschrift, in der er es nicht unter die Top Ten gebracht hat. Auch außerhalb des Landes schwört man auf die handgelesenen Haagschen Rieslings: „Der Wein wird in 45 Staaten exportiert, bis nach Singapur verschickt“, erzählt Thomas Haag.
„Schwarze Pisten im Weinbau“
Das Erfolgskonzept? Bei Haag kommt nichts in die Flaschen – und das sind immerhin bis zu 200.000 pro Jahr – was nicht auf eigenen Feldern gediehen ist. 25 Hektar Land gehören zum Gut, mit 200 verschiedenen, zum Teil atemberaubenden Lagen. Dass es nämlich die Mittelmoselregion ganz schön in sich hat, zeigen Hänge mit bis zu 75, sogar 80 Prozent Steigung! „Das sind die schwarzen Pisten im Weinbau“, witzelt der Weinmacher, der selbst aus einer Winzerfamilie stammt. Doch der Aufwand lohnt sich. Schließlich sind seine Rebstöcke zum Teil bis zu 100 Jahre alt und damit besonders wertvoll. Auf ein Jahrhundert bringt es auch der Gewölbekeller, in dem er die guten Tröpfchen lagert.
Ein Kellereibesuch ohne Verkostung? Undenkbar! Der lange Holztisch im ehemaligen Schloss-Stall ist bereits vorbereitet. Da leuchten auch schon die Rieslinge im Glas. Einer nach dem anderen wird probiert, zehn an der Zahl. Gutsweine, Ortsweine, Große Lagen. Schöne, pure Tropfen sind es, mit ausbalanciertem Säure-Fruchtspiel, komplex, elegant. Der karge Blauschieferboden der Region verleiht den Rieslingen feinfruchtige und dazu komplexe mineralische Noten. Die Preise für die Weine mit Namen wie Heldenstück, Himmelreich oder Goldtröpfchen rangieren zwischen 145 Euro (0,375 l) für limitierte Trockenbeerenauslesen aus Großer Lage bis hin zu Gutswein-Rieslingen für 8,90 Euro (0,75 l). Was zeigt: Qualität muss nicht immer teuer sein. „Wir wollen mit unseren günstigsten Weinen unter 10 Euro bleiben“, lautet denn auch das Credo von Thomas Haag.
Ballraum, Beach & Kingsize-Bett
Es ist auch dieses Weingut, das zur Einzigartigkeit vom Hotel Schloss Lieser beiträgt. Genauso wie der Ballraum für rauschende Feste und große Veranstaltungen, der kleine „Puricelli Beach“ am Fluss oder die sonnige Schlossterrasse, wo die Gäste ab April die Gabel in hausgemachte Kuchen pieksen können. So ein Stück Apfelweinkuchen, Quark-Kirschcreme- oder Mousse-au-Chocolat-Torte mit Moselblick ist ein Genuss für sich!
Das Schloss Lieser mit seiner einzigartigen Geschichte gehört zu den Autograph Collection Hotels der Marriott-Gruppe. „Mit einem rasanten Wachstum von ehemals fünf Häusern auf jetzt beinahe 200 in nur rund neun Jahren sind die Autograph Collection Hotels führend in der Sparte der unabhängigen Hotels“, so John Licence, Vizepräsident Premium & Select Brands Europe von Marriott International. „Sie bieten außergewöhnliche Hotelerlebnisse rund um den Globus.”
Wer mag, kann im Schloss Lieser übrigens dort nächtigen, wo schon der Kaiser sein Haupt auf die weichen Kissen bettete – in der 125 Quadratmeter großen Kaiser-Suite. In vielen Hotels ist das ein gängiger Name für das schickste Zimmer. Doch hier ist es authentisch. Eingekuschelt in die gemütlichen Decken fällt der Blick auf den Original-Kristalllüster, auf den einst schon der Herrscher aus Berlin geschaut hat – um dann im Land der Träume zu versinken. Im Kingsize-Bett.
MURMELZ TIPP
Auch die Umgebung mit seinen urigen Weindörfern und Orten wie Bernkastel-Kues ist ein Dorado für alle, die ein gutes Tröpfchen lieben (www.bernkastel.de). Sehenswert zum Beispiel ist auch die Jugendstil-Stadt Traben-Trarbach mit ihrer spannenden Unterwelt. Große Flächen des Stadtkerns sind unterkellert – mit zum Teil mehrstöckigen, über 100 Meter langen Gewölben, die der Weinlagerung dienten. Schließlich war der Ort um 1900 nach Bordeaux der zweitgrößte Weinumschlagplatz Europas, die Nachfrage nach Riesling-Weinen war einfach enorm. Bei Führungen taucht man ein in die Geschichte des Weinbaus. (www.traben-trarbach.de)